Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung vom 04.06.2024 (Az.: II ZB 10/23) zum Verhältnis des Schutzes personenbezogener Daten, die im Handels- oder Vereinsregister gespeichert sind, zu den mit den Registerdaten verfolgten Funktionen der Transparenz und Beweissicherung Stellung genommen. Er hat insbesondere entschieden, dass jedenfalls nach Ablauf von 20 Jahren nach Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds eines Vereins aus dem Gremium die über dieses Vorstandsmitglied über das Registerportal einschränkungslos abrufbaren Daten nicht mehr uneingeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen dürfen. Vielmehr müsste für die Einsichtnahme in die personenbezogenen Daten ein berechtigtes Interesse – analog den Vorgaben der Grundbuchordnung – dargetan werden.
Beachtenswert an dieser Entscheidung ist zunächst, dass der Bundesgerichtshof deutlich herausstellt, dass die maßgeblichen nationalen Vorschriften zur Transparenz und Registerpublizität, wie in § 79 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. § 33 Vereins-Registerverordnung niedergelegt, im Lichte der Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung einschränkend auszulegen sind. Dies hat zur Folge, dass der Umfang der Registerpublizität sich auch nach dem schützenswerten Interesse des jeweils Betroffenen an der Löschung seiner personenbezogenen Daten orientiert.
Das weitere Bemerkenswerte an dieser Entscheidung ist, dass der Bundesgerichtshof den Versuch einer Grenzziehung in zeitlicher Hinsicht vorgenommen hat, ab welchem Zeitpunkt die im Registerportal der Länder (Handelsregister, Vereinsregister u. a.) uneingeschränkt abrufbaren Daten nicht mehr einschränkungslos dem Nutzer zur Verfügung stehen dürfen, sondern lediglich abrufbar sein dürfen nach Darlegung eines berechtigten Interesses. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang heraus, dass das in Art. 17 Abs. 1 DSGVO normierte Recht auf Löschung umfangreich als „Recht auf Vergessen“ zu verstehen ist und in dieser Funktion auch Wirkung gegenüber den gesetzlichen Verpflichtungen zur Registerpublizität entfalte. Dabei betont der Gerichtshof – naturgemäß -, dass die Frage, wie lange und in welchem Maß nach dem Ausscheiden z.B. eines Vorstandsmitglieds aus einem Verein auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den über dieses Vorstandsmitglied im Vereinsregister gespeicherten Daten besteht, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhänge. Maßgeblich könne dabei die Tätigkeit des Vereins, ihre Relevanz für den Rechtsverkehr sowie für etwaige persönliche Haftungsansprüche gegenüber dem Vorstandsmitglied sein. Sodann stellt der Bundesgerichtshof jedoch klar, dass in der Regel nach dem Ablauf der 10-jährigen Verjährungshöchstfrist für Schadensersatzansprüche (§ 199 Abs. 3 BGB) bzw. der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen des Handels- und Gesellschaftsrechts regelmäßig das allgemeine öffentliche Informationsinteresse sich zu einem konkreten, mit einem berechtigten Interesse darzulegenden Anspruch konkretisiere und damit die im Registerportal der Länder gespeicherten personenbezogenen Daten nicht mehr einschränkungslos abrufbar sein dürfen.
Im entschiedenen Fall war seit dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds des Vereins bereits ein Zeitraum von 20 Jahren verstrichen. Für diesen Fall bestätigte der Bundesgerichtshof den Anspruch des betroffenen ehemaligen Vorstandsmitglieds, dass seine personenbezogenen Daten nur nach Darlegung eines berechtigten Interesses abrufbar sein dürfen.
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist über die konkret entschiedene Rechtsfrage der Abrufbarkeit der personenbezogenen Daten im Registerportal hinaus relevant, weil sie Abgrenzungsfragen zwischen einerseits den Anspruchspositionen, die die Datenschutzgrundverordnung gewährt und andererseits den mitgliedsstaatlich-normierten Pflichten des Bürgers zur Bekanntgabe personenbezogener Daten klärt. Der Bundesgerichtshof nimmt in der zitierten Entscheidung grundlegende Abwägungen zwischen einerseits den Normen des BGB und des Registerrechts und andererseits der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Charta der Grundrechte vor.
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